Barrierefreiheit im Alter: So lässt sich das Konzept zu Hause umsetzen
Der demographische Wandel prägt das Bild der deutschen Gesellschaft. 18,3 Millionen Menschen sind hierzulande über 65 Jahre alt – mehr als jeder Fünfte. Gut 55 Prozent der Senioren leben dabei in ihren eigenen vier Wänden und wollen diese Lebensform so lange fortführen, wie es ihnen möglich ist. Anders als in vergangenen Jahrzehnten bestehen heutzutage viele Möglichkeiten, ein Haus oder eine Eigentumswohnung barrierefrei umzubauen. So können auch Senioren, die unter Mobilitätseinschränkungen leiden, länger selbstbestimmt im eigenen Heim wohnen. Doch welche Maßnahmen sind dafür erforderlich und was sollten Betroffene dabei beachten?
Welche Elemente sind wichtig für altersgerechtes Wohnen?
Die Elemente einer altersgerechten Umgebung erstrecken sich von der Architektur bis hin zur Haustechnik. Dabei sind vor allem folgende Bereiche betroffen:
- Grundriss der Wohnung: Genug Platz für einen Rollstuhl
Wer unter Mobilitätseinschränkungen leidet und deshalb auf eine Gehhilfe oder den Rollstuhl angewiesen ist, braucht genügend Platz. Türen sollten deshalb mindestens 90cm breit sein, wobei vor und hinter der Tür ausreichend Bewegungsraum vorhanden sein muss. Ein zentraler Wendekreis in jedem Raum (vor allem Bad und Küche) erleichtert den Zugang zu allen Einrichtungsgegenständen. Rollstuhlfahrer brauchen dafür etwa 1,5*1,5m; alle anderen Personen etwas weniger. Sollte dies bislang nicht möglich sein, werden hier eventuell bauliche Maßnahmen erforderlich.
- Schwellen, Stufen und Treppen: Rampen und Treppenlifte
Rollstuhlfahrer und Menschen mit Mobilitätsdefiziten profitieren von einer schwellenlosen Umgebung. Absätze und Treppen müssen deshalb mit passenden Hilfsmitteln überbrückt werden. Das können Rampen, Treppenlifts, Plattformlifts, Hublifts oder Homelifts sein – je nach individuellen Bedürfnissen und baulicher Ausgangssituation. Auch Stolperfallen wie glatte Bodenbeläge und rutschige Teppiche sollten rutschhemmenden Belägen weichen.
- Mobiliar: Sitzerhöhungen, Haltegriffe und Co.
Hier stellt sich die Frage, ob barrierefreie Möbel angeschafft werden oder bestehendes Mobiliar mit Hilfsmitteln weitergenutzt werden kann. Letztere sind beispielsweise Sitzerhöhungen für das WC, Katapultsitze, Haltegriffe, Bettleitern und Aufstehhilfen. Insbesondere in Küche und Bad profitieren Rollstuhlfahrer und mobilitätseingeschränkte Menschen von Spezialanfertigungen wie unterfahrbaren Waschtischen und Küchenarbeitsplatten, bodentiefen Duschen sowie Hub-Lift-Schränken. Pflegebedürftige Personen brauchen ein spezielles Bett, dessen Liegefläche und Kopfteil in der Höhe verstellbar ist.
- Haustechnik: Auf den Einzelfall eingehen
Personen mit schlechtem Gehör müssen Tonsignale wie Telefon, Klingel und Rauchmelder eventuell mit Lichtsignalen nachrüsten. Für Menschen, die schlecht sehen, ist dagegen eine Herdüberwachung mit Abschaltautomatik sinnvoll. Rollläden sollten elektrisch bedienbar oder fernsteuerbar sein. Für Menschen, die keine kognitiven Defizite aufweisen und sich vor neuer Technik nicht fürchten, können diverse Smart-Home-Anwendungen eine Erleichterung darstellen, z.B. wenn sich Beleuchtung, Heizung und Alarmanlage per Smartphone fernsteuern lassen. Wer als alleinlebender Mensch die Sorge hat, bei einem Notfall hilflos zu sein, sollte einen Hausnotruf installieren lassen. So lässt sich bei Bedarf schnell und unkompliziert Hilfe rufen.
Besteht ein Unterschied zwischen altersgerecht und barrierefrei?
Die Gruppe älterer Menschen ist genauso wenig homogen wie die Gruppe behinderter Menschen. Dennoch besteht meist ein entscheidender Unterschied: Während viele Menschen mit Behinderung (z.B. Lähmungen oder Blindheit) ihr Leben lang gelernt haben, mit dem Handicap umzugehen, stehen ältere Menschen ungewohnten Defiziten gegenüber. Viele Hilfsmittel für Behinderte, z.B. Screenreader für Blinde, sind deshalb zu kompliziert für alternde Menschen mit Sehkraftverlust.
Die individuelle Situation beachten und vorausschauend umbauen
Den barrierefreien Umbau eines Hauses sowie die Installation nützlicher technischer Helfer nimmt man idealerweise in Angriff, wenn die Zeit noch nicht drängt. Auf diese Weise gewöhnen sich Hausbewohner an einen neuen Grundriss – dieser Gewohnheitsfaktor trägt im hohen Alter zusätzlich zur Selbstbestimmtheit bei. Zudem kompensieren barrierefreie Räume nicht nur Altersdefizite, sondern erzeugen ein komfortables und großzügiges Wohngefühl.
Davon profitieren nicht nur ältere Semester, sondern auch Familienmitglieder und Freunde. So stürzen kleine Kinder, z.B. die Enkel, auf rutschhemmenden Bodenbelägen weniger leicht, stoßen sich weniger an breiteren Türöffnungen und erreichen in der barrierefreien Küche einfacher den Inhalt der Schränke.
Dürfen auch Mieter eine Immobile barrierefrei umbauen?
Laut § 554 BGB können Mieter von ihrem Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen zum Zwecke der Barrierefreiheit fordern, sofern sie ein berechtigtes Interesse daran haben. Die Interessen des Vermieters, die dagegensprechen könnten, werden von Gerichten in den meisten Fällen als weniger schwerwiegend eingestuft, sodass der Umbau gestattet werden muss. Dabei trägt der Mieter die Kosten für den Umbau und ist verpflichtet, dem Vermieter eine finanzielle Sicherheit zu hinterlegen, die den Rückbau abdeckt.
Welche Finanzierungsmöglichkeiten bestehen?
Wenn ein Defizit durch Alter oder Krankheit ärztlich diagnostiziert wurde, bezahlen die Kassen für passende Hilfsmittel. So werden die Kosten für einen Rollator von der Krankenkasse getragen, während eine Treppensteighilfe finanziell von der Pflegekasse unterstützt wird. Liegt ein Pflegegrad vor, zahlt sie pro Person einen Zuschuss von 4.000 Euro, der beispielsweise in die Installation eines Treppenlifts fließen kann. Wer sein Heim ohne medizinische Indikation barrierefrei umbaut, kann die Maßnahmen immerhin als außergewöhnliche Belastung steuermindernd gelten machen. Darüber hinaus bietet die KfW Zuschüsse und vergünstigte Kredite für den altersgerechten Umbau an, die im Förderzeitraum 2022 jedoch bereits ausgeschöpft sind. Wie die Förderung in Zukunft gestaltet ist, bleibt zudem abzuwarten.